Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 02/2022:
Alle Steuerzahler
- Erbschaftsteuerbefreiung für Familienheime: Verzögerter Einzug muss nicht schädlich sein
- Zensus 2022: Steuerfreie Aufwandsentschädigungen
- Steuerpläne der neuen Bundesregierung: Das steht im Koalitionsvertrag!
Vermieter
Kapitalanleger
Freiberufler und Gewerbetreibende
- Steuerzahlerfreundliche Rechtsprechung zum Investitionsabzugsbetrag bei Betriebsaufgabe
- Kein strukturelles Vollzugsdefizit bei bargeldintensiven Betrieben in 2015
Umsatzsteuerzahler
- Entscheidung zum Vorsteuerabzug bei unentgeltlicher Zuwendung
- Ab 2022 beträgt die pauschale Umsatzsteuer der Landwirte 9,5 %
Arbeitgeber
- Corona-Zuschlag zur privaten Pflegeversicherung beachten
- Betriebliche Altersversorgung: Arbeitgeberzuschuss für Altverträge gilt ab 2022
Abschließende Hinweise
- Neuerungen beim Statusfeststellungsverfahren ab 1.4.2022
- Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 02/2022
- Offenlegung der Jahresabschlüsse: Keine Ordnungsgeldverfahren vor dem 7.3.2022
- Verzugszinsen
Alle Steuerzahler
Erbschaftsteuerbefreiung für Familienheime: Verzögerter Einzug muss nicht schädlich sein
| Unter gewissen Voraussetzungen können Familienheime vererbt werden, ohne dass Erbschaftsteuer anfällt. Eine Voraussetzung ist, dass der Erwerber die Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmt. Mit diesem Kriterium hat sich der Bundesfinanzhof nun näher befasst. |
Zum Hintergrund: Die vom Erblasser zuvor selbst genutzte Wohnimmobilie kann erbschaftsteuerfrei vererbt werden, wenn das Familienheim vom Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner weitere zehn Jahre lang bewohnt wird. Erben Kinder oder Enkel (verstorbener Kinder), ist darüber hinaus zu beachten, dass die Steuerbefreiung auf eine Wohnfläche von 200 qm begrenzt ist. Wird die Grenze überschritten, unterliegt der übersteigende Teil der Erbschaftsteuer.
Der Erwerber muss die Wohnung unverzüglich, d. h., ohne schuldhaftes Zögern, zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmen. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall.
Verzögert sich der Einzug wegen Renovierungsarbeiten, ist das dem Erwerber nicht anzulasten, wenn er die Arbeiten unverzüglich in Auftrag gibt, die Handwerker sie aber aus Gründen, die der Erwerber nicht zu vertreten hat (beispielsweise viele Aufträge), nicht rechtzeitig ausführen können.
Ein weiteres Indiz für die unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung ist die zeitnahe Räumung bzw. Entrümpelung der Wohnung. Verzögert sich der Einzug hingegen, weil zunächst ein gravierender Mangel beseitigt werden muss, ist eine spätere Entrümpelung der Wohnung unschädlich, wenn sie nicht ihrerseits zu einem verzögerten Einzug führt.
MERKE | Der Erbe muss keine beschleunigenden und möglicherweise kostenintensiveren Maßnahmen zur Renovierung und Schadensbeseitigung ergreifen, nur um die Sechs-Monats-Frist einzuhalten. Dieser Maßstab, den die Vorinstanz (Finanzgericht Münster) angelegt hat, ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs zu streng. |
Quelle | BFH-Urteil vom 6.5.2021, Az. II R 46/19, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 226044
Zensus 2022: Steuerfreie Aufwandsentschädigungen
| 2022 findet bundesweit die Zählung der Bevölkerung sowie von Gebäuden und Wohnungen statt. Der sogenannte „Zensus“ ist alle zehn Jahre vorzunehmen (zuletzt 2011), wurde jedoch pandemiebedingt von 2021 in das Jahr 2022 verschoben. Zur Durchführung werden ehrenamtliche Erhebungsbeauftragte eingesetzt, die stichprobenhafte Haushaltsbefragungen vornehmen. Sie erhalten nach dem Gesetz zur Durchführung des Zensus im Jahr 2022 (ZensG 2022) für ihre Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung zuzüglich entstandener Fahrtkosten. Nach § 20 Abs. 3 ZensG 2022 unterliegen diese Zahlungen nicht der Einkommensbesteuerung (Quelle: Bayerisches Landesamt für Steuern vom 3.9.2021, Az. S 2113.1.1-2/3 St36). |
Steuerpläne der neuen Bundesregierung: Das steht im Koalitionsvertrag!
| Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung beinhaltet auf über 170 Seiten auch steuerliche Änderungsvorhaben. Neben bereits konkreten Aspekten (z. B. die Erhöhung des Sparer-Pauschbetrags) finden sich auch viele Absichtserklärungen. So viel vorweg: Eine „große“ Steuerreform ist offensichtlich nicht geplant. |
In der Planung ist eine Investitionsprämie für Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter. Diese soll es in den Jahren 2022 und 2023 ermöglichen, einen Anteil der Anschaffungs-/Herstellungskosten der im jeweiligen Jahr angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die in besonderer Weise diesen Zwecken dienen, vom steuerlichen Gewinn abzuziehen („Superabschreibung“).
Die erweiterte Verlustverrechnung bei der Einkommensteuer soll zeitlich bis Ende 2023 verlängert werden. Zudem soll der Verlustrücktrag auf die zwei unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeiträume ausgeweitet werden. Bislang ist lediglich ein Rücktrag in das Vorjahr möglich.
Nicht zuletzt wegen der Coronapandemie hat der Gesetzgeber für 2020 und 2021 eine Homeoffice-Pauschale eingeführt: Liegt kein häusliches Arbeitszimmer vor oder wird auf einen Abzug der Aufwendungen verzichtet, kann der Steuerpflichtige für jeden Kalendertag, an dem er seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit ausschließlich in der häuslichen Wohnung ausübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene Betätigungsstätte aufsucht, einen Betrag von 5 EUR abziehen. Im Kalenderjahr sind allerdings höchstens 600 EUR abzugsfähig. Diese Regelung soll bis Ende 2022 verlängert und evaluiert werden.
Der sogenannte Ausbildungsfreibetrag soll von derzeit 924 EUR auf 1.200 EUR erhöht werden. Er wird nach § 33a Abs. 2 S. 1 Einkommensteuergesetz gewährt, wenn ein volljähriges Kind, für das Anspruch auf Kindergeld oder auf einen Kinderfreibetrag besteht, sich in einer Berufsausbildung befindet und auswärtig untergebracht ist.
Seit Einführung der Abgeltungsteuer (ab 2009) ist der Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten für private Kapitalerträge ausgeschlossen. Das Gesetz gestattet nur noch den Abzug des Sparer-Pauschbetrags in Höhe von 801 EUR (1.602 EUR bei steuerlicher Zusammenveranlagung). Der Sparer-Pauschbetrag soll nun mit Wirkung ab 1.1.2023 auf 1.000 EUR (2.000 EUR bei Zusammenveranlagung) erhöht werden.
Schrittweise bis zum Jahr 2025 sind immer größere Anteile der Rentenversicherungsbeiträge von der Einkommensteuer absetzbar (in 2021 sind es 92 %). Ab 2025 sind dann sämtliche Altersvorsorgeaufwendungen ungekürzt als Sonderausgaben abziehbar. Den Vollabzug will die neue Bundesregierung nun vorziehen (ab 2023).
Beachten Sie | Darüber hinaus soll der steuerpflichtige Rentenanteil ab 2023 nur noch um einen halben Prozentpunkt steigen. Eine Vollbesteuerung der Renten würde damit erst ab 2060 erreicht.
Ehegatten, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind, nicht dauernd getrennt leben und beide Arbeitslohn beziehen, können für den Lohnsteuerabzug wählen, ob sie beide in die Steuerklasse IV eingeordnet werden wollen oder ob einer von ihnen (der Höherverdienende) nach Steuerklasse III und der andere nach Steuerklasse V besteuert werden will. Zudem besteht die Möglichkeit, die Steuerklassenkombination IV/IV mit Faktor zu wählen.
Im Koalitionsvertrag heißt es: „Im Zuge einer verbesserten digitalen Interaktion zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung werden wir die Kombination aus den Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV überführen …“ Mit anderen Worten: Die Steuerklassenkombination III und V soll abgeschafft werden.
MERKE | Die während des Jahres einbehaltene Lohnsteuer besagt noch nichts über die Höhe der Jahressteuerschuld. Denn die vom Arbeitslohn einbehaltenen Lohnsteuerbeträge stellen grundsätzlich nur Vorauszahlungen auf die endgültige Jahressteuerschuld dar. |
Darüber hinaus enthält der Koalitionsvertrag zahlreiche Vorhaben,
- die einerseits schon recht bestimmt sind (z. B. Anhebung der Steuerfreiheit des Pflegebonus auf 3.000 EUR und Erhöhung der linearen Abschreibung für den Neubau von Wohnungen von zwei auf drei Prozent) und
- andererseits recht vage daherkommen. Beispiel: „Wir wollen das Steuersystem für Menschen und Unternehmen einfacher machen. Dazu wollen wir die Digitalisierung und Entbürokratisierung der Steuerverwaltung vorantreiben.“
In den nächsten Wochen wird die Bundesregierung die „Gesetzesmaschinerie“ anwerfen. Man darf gespannt sein, was schlussendlich wie umgesetzt wird.
Quelle | Mehr Fortschritt wagen Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit; Koalitionsvertrag 2021 2025 zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP
Vermieter
Aufwendig gestaltete Wohngebäude: Verbilligte Vermietung an Angehörige besser vermeiden
| Die verbilligte Vermietung einer Wohnung zu Wohnzwecken ist unschädlich bzw. gilt als vollentgeltlich, wenn das Entgelt mindestens 66 % der ortsüblichen Miete beträgt. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat das bei einer Vermietung eines aufwendig gestalteten Wohngebäudes allerdings jüngst anders gesehen und eine Totalüberschussprognose gefordert. |
Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts ist die Revision anhängig. Somit kann der Bundesfinanzhof nun klären, ob bei einer Vermietung mit mindestens 66 % der ortsüblichen Miete eine Totalüberschussprognose erforderlich ist, wenn es sich um ein aufwendig gestaltetes Wohngebäude (im konkreten Streitfall: Einfamilienhaus mit weit über 250 qm Wohnfläche) handelt.
Hintergrund und Regelung ab 2021
Bei einer verbilligten Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken (z. B. an Angehörige) ist eine Entgeltlichkeitsgrenze einzuhalten, um den vollen Werbungskostenabzug zu sichern. Beträgt das Entgelt mindestens 66 % der ortsüblichen Miete, ist diese Grenze erfüllt.
MERKE | Seit 2021 ist ein voller Werbungskostenabzug aber auch bei einem geringeren Entgelt möglich: Beträgt es 50 % und mehr, jedoch weniger als 66 % der ortsüblichen Miete, ist eine Totalüberschussprognoseprüfung vorzunehmen. Fällt diese positiv aus, ist Einkunftserzielungsabsicht zu unterstellen und der volle Werbungskostenabzug ist möglich. Anderenfalls ist von einer Einkunftserzielungsabsicht nur für den entgeltlich vermieteten Teil auszugehen und die Kosten sind aufzuteilen. |
Quelle | FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.1.2021, Az. 5 K 1938/19, Rev. BFH: Az. IX R 17/21, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 226476
Kapitalanleger
Vereinnahmung einer Stillhalterprämie und Zahlung der Glattstellungsprämie
| Seit der Abgeltungsteuer sind bei Stillhaltergeschäften mit periodenüberschreitendem Zu- und Abfluss die erhaltenen Stillhalterprämien bei ihrem Zufluss zu versteuern. Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte sind hingegen grundsätzlich erst im Zeitpunkt ihres Abflusses zu berücksichtigen. Das hat das Finanzgericht München entschieden. |
§ 20 Abs. 1 Nr. 11 Einkommensteuergesetz (EStG) ordnet eine „getrennte“ Besteuerung der Stillhalterprämie und der Glattstellungsgeschäfte an, ohne den Barausgleich zu regeln. Die Vorschrift bietet keine Grundlage, um von den allgemeinen Grundsätzen abzuweichen, in welchem Zeitpunkt Zu- und Abflüsse zu berücksichtigen sind.
Eine Glattstellung liegt vor, wenn der Stillhalter eine Option der gleichen Art unter Closing-Vermerk kauft, wie er sie zuvor verkauft hat. Eine echte (beendende) Glattstellung ist gegeben, wenn das Glattstellungsgeschäft ein betrags- und fristenkongruentes Gegengeschäft ist, mit dem der Stillhalter seine Verpflichtung aus der Option zum Erlöschen bringt. Hierzu erwirbt der Stillhalter genau die Option, die er zuvor einem anderen eingeräumt hat, und macht durch den Glattstellungsvermerk (Closing-Order) eine Aufrechnung geltend.
Beachten Sie | Ob Gegengeschäfte ohne einen Glattstellungsvermerk als gegenläufige Geschäfte unter § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG fallen, konnte das Finanzgericht offenlassen.
Quelle | FG München, Urteil vom 28.9.2021, Az. 6 K 1458/19, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 226477
Freiberufler und Gewerbetreibende
Steuerzahlerfreundliche Rechtsprechung zum Investitionsabzugsbetrag bei Betriebsaufgabe
| Wird ein Investitionsabzugsbetrag geltend gemacht, kann es passieren, dass das Finanzamt diesen Abzugsbetrag nachträglich versagt. Häufiger Grund: Das Wirtschaftsgut wird nicht bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahrs in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs betrieblich genutzt. Umso erfreulicher ist eine aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Erfüllung der Nutzungsvoraussetzungen in Fällen der Betriebsaufgabe. |
Hintergrund
Für die künftige Anschaffung/Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens kann ein Investitionsabzugsbetrag von bis zu 50 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd geltend gemacht werden. Durch den Steuerstundungseffekt soll die Liquidität kleinerer und mittlerer Betriebe verbessert werden.
Das Wirtschaftsgut muss mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahrs vermietet oder in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs fast ausschließlich betrieblich genutzt werden. Werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, dann ändert das Finanzamt den Steuerbescheid des Abzugsjahrs und versagt den Investitionsabzugsbetrag rückwirkend.
Entscheidung zur Betriebsaufgabe
Nach Ansicht der Finanzverwaltung liegt eine schädliche Verwendung insbesondere dann vor, wenn das Wirtschaftsgut vor dem Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahrs
- aus dem begünstigten Betrieb ausscheidet,
- dort nicht mehr zu mindestens 90 % betrieblich genutzt wird oder
- der Betrieb veräußert oder aufgegeben wird.
In den Fällen einer Betriebsaufgabe hat der Bundesfinanzhof nun eine andere Ansicht vertreten: Wird der Betrieb im Jahr nach der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts aufgegeben, muss das Wirtschaftsgut nicht für einen vollen Zwölf-Monats-Zeitraum nach dem Wirtschaftsjahr seiner Anschaffung oder Herstellung betrieblich genutzt werden, sondern nur während des mit der Betriebsaufgabe endenden Rumpfwirtschaftsjahrs.
Für die Definition „Wirtschaftsjahr“ hat der Bundesfinanzhof auf § 8b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung zurückgegriffen. Danach umfasst das Wirtschaftsjahr zwar einen Zeitraum von zwölf Monaten. Es darf aber in bestimmten Fällen auch einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten umfassen (Rumpfwirtschaftsjahr). Und hierunter fällt auch die Betriebsaufgabe.
Quelle | BFH-Urteil vom 28.7.2021, Az. X R 30/19, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 225545; BMF-Schreiben vom 20.3.2017, Az. IV C 6 – S 2139-b/07/10002-02
Kein strukturelles Vollzugsdefizit bei bargeldintensiven Betrieben in 2015
| In 2015 bestand hinsichtlich der Erfassung von Bareinnahmen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch bei bargeldintensiven Betrieben mit offener Ladenkasse kein dem Gesetzgeber zuzurechnendes strukturelles Vollzugsdefizit. Dies hat der Bundesfinanzhof entschieden. |
Sachverhalt |
Ein Steuerpflichtiger setzte zur Ermittlung seiner Besteuerungsgrundlagen in seinen Gaststätten elektronische Registrierkassen ein. Er war der Ansicht, dass die fehlende gesetzliche Verpflichtung zur Führung einer elektronischen Kasse ein strukturelles, dem Gesetzgeber zuzurechnendes Vollzugsdefizit verursache und deshalb verfassungswidrig sei.
Bei offenen Ladenkassen, wie sie gerade im Bereich der Gastronomie häufig eingesetzt würden, habe die Finanzbehörde keine nennenswerten Möglichkeiten, den angegebenen Umsatz auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Jedenfalls blieben die Prüfungsmöglichkeiten weit hinter dem zurück, was bei Registrierkassen möglich sei. Dadurch werde eine gleichmäßige Steuerfestsetzung ausgeschlossen und er, der bereits elektronische Registrierkassen einsetze, werde in seinem Recht auf Gleichbehandlung verletzt.
Seine Klage und die Revision vor dem Bundesfinanzhof blieben allerdings erfolglos. |
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs bestanden 2015 zwar offensichtliche Probleme bei der Erhebung und Verifikation von Besteuerungsgrundlagen im Bereich der bargeldintensiven Geschäftsbetriebe (wie z. B. der Gastronomie). Diese führten aber nicht zu einem strukturellen, dem Gesetzgeber zuzurechnenden Erhebungsmangel, der zur Verfassungswidrigkeit der Besteuerung führen könnte. Vielmehr bestand auch für solche Betriebe im Jahr 2015 eine Rechtslage, die auf die Durchsetzung der geltenden Steuergesetze abzielte.
Auch für Betreiber einer offenen Ladenkasse bestand ein Entdeckungsrisiko bei Manipulationen. Die geltenden Erhebungsregeln waren nicht derart ineffektiv, dass ein Unterlassen weiterer Regelungen bezüglich der Besteuerung von Betrieben mit offener Ladenkasse im Bereich der Gastronomie dem Gesetzgeber als strukturelles Vollzugsdefizit angelastet werden könnte.
Quelle | BFH-Urteil vom 16.9.2021, Az. IV R 34/18, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 226450; BFH, PM Nr. 43/21 vom 16.12.2021
Umsatzsteuerzahler
Entscheidung zum Vorsteuerabzug bei unentgeltlicher Zuwendung
| Der Bundesfinanzhof hat über den Vorsteuerabzug aus der Ausbaumaßnahme an einer öffentlichen Straße entschieden, die nach der Fertigstellung unentgeltlich an die Gemeinde überlassen wurde. |
Zuletzt hatte der Bundesfinanzhof einen solchen Fall in 2011 entschieden. Danach war der Unternehmer, der bereits bei Bezug von Eingangsleistungen beabsichtigt, die Leistungen ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme zu verwenden, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Wegen der in der Zwischenzeit ergangenen Rechtsprechung zweifelte der Bundesfinanzhof jedoch an seiner Ansicht und rief den Europäischen Gerichtshof an. Dieser entschied, dass dem Steuerpflichtigen auf der Eingangsseite der Vorsteuerabzug zusteht, während auf der Ausgangsseite keine Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe erfolgt. Auszug aus dem 1. Leitsatz der Entscheidung:
- „Ein Steuerpflichtiger (hat) ein Recht auf Abzug der Vorsteuer …, wenn diese Straße sowohl von diesem Steuerpflichtigen im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit als auch von der Öffentlichkeit benutzt wird, soweit diese Ausbauarbeiten nicht über das hinausgingen, was erforderlich war, um diesem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, seine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, und ihre Kosten im Preis der von diesem Steuerpflichtigen getätigten Ausgangsumsätze enthalten sind.“
Dieser Rechtsprechung schloss sich der Bundesfinanzhof nun an. Er machte deutlich, dass auch ein mittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung für den Vorsteuerabzug ausreichend ist. Zudem ist eine Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe nur in den Fällen durchzuführen, in denen ein unversteuerter Letztverbrauch droht.
Quelle | BFH-Urteil vom 16.12.2020, Az. XI R 26/20 (XI R 28/17), unter www.iww.de, Abruf-Nr. 222374; EuGH-Urteil vom 16.9.2020, Rs. C-528/19; BFH-Urteil vom 13.1.2011, Az. V R 12/08
Ab 2022 beträgt die pauschale Umsatzsteuer der Landwirte 9,5 %
| Der Umsatzsteuer-Durchschnittssatz für die vereinfachte Besteuerung pauschalierender land- und forstwirtschaftlicher Betriebe sinkt ab 2022 von 10,7 auf 9,5 %. Daraus kann insbesondere für Betriebe mit erheblichen Investitionen eine (deutliche) steuerliche Mehrbelastung resultieren. |
Hintergrund
Nach § 24 Umsatzsteuergesetz können Betriebe bis zu einem Jahresumsatz von 600.000 EUR die Pauschalierung nutzen. Das Jahressteuergesetz 2020 regelt, dass die Höhe der Vorsteuerbelastung der pauschalierenden Landwirte jährlich anhand aktueller statistischer Daten überprüft werden muss sie ist ein wichtiges Kriterium für die Festlegung der Durchschnittssätze.
Nach Angaben der Bundesregierung wäre der Durchschnittssatz von 10,7 % ab 2022 nicht mehr zulässig, weil er gegen die EU-Richtlinie über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoßen würde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben im Umsatzsteuerrecht, BGBl I 2021, S. 5250; 1014. Sitzung des Bundesrats vom 17.12.2021, BundesratKOMPAKT, TOP 2, Änderungen bei Steuer für landwirtschaftliche Betriebe
Arbeitgeber
Corona-Zuschlag zur privaten Pflegeversicherung beachten
| Der Gesetzgeber hat einen befristeten Zuschlag zu privaten Pflege-Pflichtversicherungsverträgen zur Finanzierung pandemiebedingter Mehrausgaben eingeführt. |
Durch § 110a Sozialgesetzbuch (SGB) XI hat der Gesetzgeber den privaten Versicherern die Möglichkeit eingeräumt, deren pandemiebedingten Belastungen aufgrund des Pflegerettungsschirms durch einen zeitlich befristeten Beitragszuschlag auszugleichen. Die Regelung ist bis zum 31.12.2022 begrenzt.
Für Versicherte ohne Beihilfeanspruch beträgt der Corona-Zuschlag 3,40 EUR pro Monat. Bei Arbeitnehmern übernimmt der Arbeitgeber die Hälfte des Zuschlags. Für Versicherte mit Beihilfeanspruch beträgt der monatliche Zuschlag 7,30 EUR.
Beachten Sie | Der Zuschlag wird zusätzlich zum Beitrag erhoben und ist unabhängig davon, ob bereits der Höchstbeitrag gezahlt wird.
Quelle | § 110a Sozialgesetzbuch (SGB) XI
Betriebliche Altersversorgung: Arbeitgeberzuschuss für Altverträge gilt ab 2022
| Durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz aus 2017 wurden zur betrieblichen Altersversorgung Regelungen verabschiedet, die den Abschluss einer betrieblichen Altersversorgung interessanter machen sollten. Eine schon fast in Vergessenheit geratene Übergangsregelung ist Ende 2021 ausgelaufen, sodass sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Altverträge ab 2022 ändern. |
Arbeitgeber müssen 15 % des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten, soweit sie durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einsparen. Dies ist in § 1a Abs. 1a des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) geregelt.
Beachten Sie | Die Zuschusspflicht betraf bisher nur Neuverträge ab dem 1.1.2019. Mit Wirkung ab 2022 ist sie auch für Verträge, die vor 2019 abgeschlossen wurden, zu beachten.
Quelle | Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz) vom 17.8.2017, BGBl I 2017, S. 3214
Abschließende Hinweise
Neuerungen beim Statusfeststellungsverfahren ab 1.4.2022
| Mit dem Statusfeststellungsverfahren in der Sozialversicherung nach § 7a Sozialgesetzbuch (SGB) IV können sich die Beteiligten eines Auftragsverhältnisses frühzeitig Klarheit über den Erwerbsstatus verschaffen. Durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz sind nun einige Änderungen zu beachten, die ab dem 1.4.2022 gelten. |
Hintergrund
Für die Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens ist die Clearingstelle bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zuständig. Mit diesem Verfahren können die Beteiligten eines Auftragsverhältnisses rechtlich verbindlich feststellen lassen, ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt.
Beachten Sie | Für bestimmte Personengruppen ist das Statusfeststellungsverfahren zwingend durchzuführen. Handelt es sich bei angemeldeten Beschäftigten um den Ehegatten, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder um einen geschäftsführenden GmbH-Gesellschafter, hat die Einzugsstelle einen Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus zu stellen (§ 7a Abs. 1 S. 2 SGB IV).
Neuregelungen ab 1.4.2022
Mit Wirkung zum 1.4.2022 treten einige Neuregelungen in Kraft. Hervorzuheben sind insbesondere folgende Punkte:
- Die Einführung einer Prognoseentscheidung ermöglicht die Feststellung des Erwerbsstatus schon vor der Aufnahme der Tätigkeit und damit frühzeitiger als bisher.
- Anstelle der Versicherungspflicht wird künftig der Erwerbsstatus festgestellt. Anders als bisher entscheidet die Clearingstelle also nicht mehr über die Versicherungspflicht und -freiheit in den einzelnen Sozialversicherungszweigen.
Beispiel |
Ab dem 1.4.2022 soll in einer Praxis für Physiotherapie ein Physiotherapeut tätig werden. Nach der Entscheidung der Clearingstelle liegt eine abhängige Beschäftigung vor, weil der Physiotherapeut nicht weisungsfrei arbeiten kann und in die Arbeitsorganisation eingebunden ist.
In welchen Sozialversicherungszweigen Versicherungspflicht bzw. -freiheit besteht, muss der Arbeitgeber nun selbst entscheiden. |
Beachten Sie | Beim bis zum 31.3.2022 geltenden Anfrageverfahren entscheidet die Clearingstelle auch über die Versicherungspflicht bzw. -freiheit in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. |
- Es wird eine Gruppenfeststellung für gleiche Vertragsverhältnisse ermöglicht. Dadurch muss der Auftraggeber bei gleichen Aufträgen keine separaten Statusfeststellungsverfahren mehr durchführen.
- Zukünftig können bestimmte Dreieckskonstellationen geprüft werden. Auch damit können separate Statusfeststellungsverfahren vermieden werden.
Quelle | Barrierefreiheitsstärkungsgesetz vom 16.7.2021, BGBl I 2021, S. 2970; Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 13.8.2021 „Verfahren zur Feststellung des Erwerbsstatus“
Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 02/2022
| Im Monat Februar 2022 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |
Steuertermine (Fälligkeit):
- Umsatzsteuerzahler (Monatszahler): 10.2.2022
- Lohnsteuerzahler (Monatszahler): 10.2.2022
- Gewerbesteuerzahler: 15.2.2022
- Grundsteuerzahler: 15.2.2022
Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.
Hinweis | Bei der Grundsteuer kann die Gemeinde abweichend von dem vierteljährlichen Zahlungsgrundsatz verlangen, dass Beträge bis 15 EUR auf einmal grundsätzlich am 15.8. und Beträge bis einschließlich 30 EUR je zur Hälfte am 15.2. und am 15.8. zu zahlen sind. Auf Antrag kann die Grundsteuer auch am 1.7. in einem Jahresbetrag entrichtet werden. Der Antrag ist bis zum 30.9. des vorangehenden Jahres zu stellen.
Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 14.2.2022 für die Umsatz- und Lohnsteuerzahlung und am 18.2.2022 für die Gewerbe- und Grundsteuerzahlung. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.
Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):
Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat Februar 2022 am 24.2.2022.
Offenlegung der Jahresabschlüsse: Keine Ordnungsgeldverfahren vor dem 7.3.2022
| Die Offenlegungsfrist für den Jahresabschluss für 2020 endete bereits am 31.12.2021. Das Bundesamt für Justiz hat nun mitgeteilt, dass es vor dem 7.3.2022 kein Ordnungsgeldverfahren einleiten wird. Damit sollen angesichts der andauernden Coronapandemie die Belange der Beteiligten angemessen berücksichtigt werden. |
Hintergrund
Offenlegungspflichtige Gesellschaften (insbesondere AG, GmbH und GmbH & Co. KG) müssen ihre Jahresabschlüsse spätestens zwölf Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs beim Bundesanzeiger elektronisch einreichen.
Kommt das Unternehmen der Pflicht zur Offenlegung nicht rechtzeitig oder nicht vollständig nach, leitet das Bundesamt für Justiz ein Ordnungsgeldverfahren ein. Das Unternehmen wird aufgefordert, innerhalb einer sechswöchigen Nachfrist den Offenlegungspflichten nachzukommen. Gleichzeitig droht das Bundesamt ein Ordnungsgeld an (regelmäßig in Höhe von 2.500 EUR).
PRAXISTIPP | Kleinstkapitalgesellschaften müssen nur ihre Bilanz (keinen Anhang und keine Gewinn- und Verlustrechnung) einreichen. Zudem haben sie ein Wahlrecht: Sie können ihre Publizitätsverpflichtung durch Offenlegung oder dauerhafte Hinterlegung der Bilanz erfüllen. Hinterlegte Bilanzen sind nicht unmittelbar zugänglich; auf Antrag werden sie kostenpflichtig an Dritte übermittelt. |
Quelle | Bundesamt für Justiz, Meldung online
Verzugszinsen
| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1.1.2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Die Höhe wird jeweils zum 1.1. und 1.7. eines Jahres neu bestimmt. |
Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1.1.2022 bis zum 30.6.2022 beträgt -0,88 Prozent.
Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:
- für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 4,12 Prozent
- für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,12 Prozent*
* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 7,12 Prozent.
Die für die Berechnung der Verzugszinsen anzuwendenden Basiszinssätze betrugen in der Vergangenheit:
Berechnung der Verzugszinsen |
|
Zeitraum |
Zins |
vom 1.7.2021 bis 31.12.2021 |
-0,88 Prozent |
vom 1.1.2021 bis 30.6.2021 |
-0,88 Prozent |
vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 |
-0,88 Prozent |
vom 1.1.2020 bis 30.6.2020 |
-0,88 Prozent |
vom 1.7.2019 bis 31.12.2019 |
-0,88 Prozent |
vom 1.1.2019 bis 30.6.2019 |
-0,88 Prozent |
vom 1.7.2018 bis 31.12.2018 |
-0,88 Prozent |
vom 1.1.2018 bis 30.6.2018 |
-0,88 Prozent |
vom 1.7.2017 bis 31.12.2017 |
-0,88 Prozent |
vom 1.1.2017 bis 30.6.2017 |
-0,88 Prozent |
vom 1.7.2016 bis 31.12.2016 |
-0,88 Prozent |
vom 1.1.2016 bis 30.6.2016 |
-0,83 Prozent |